Süßwassermuscheln und Gewässerökologie
Seit vielen Jahren ist der Schutz
einheimischer Großmuscheln (Unionoidea) unser
Spezialgebiet.
Großmuscheln sind als Zielarten gut
geeignet, da sie besonders hohe Ansprüche an die Wasser-
und Habitatqualität stellen. Dadurch können sie als
Indikatororganismen für die von ihnen bewohnten Gewässer
ebenso fungieren wie als Schirm- und Flagschiffarten für
Schutzprojekte: Erhaltungsmaßnahmen sind immer mit dem
Schutz des gesamten Ökosystems verbunden.
Heute sind die meisten Muschellebensräume in Mitteleuropa
durch Eutrophierung sowie Verschlammung und Versandung
stark verändert. Besonders die Fließgewässerarten -
Bachmuschel Unio crassus und Flussperlmuschel
Margaritifera margaritifera - sind deshalb inzwischen vom
Aussterben bedroht. Zu ihrem dauerhaften Erhalt sind
direkte Artenhilfsmaßnahmen möglich und Optimierungen der
Habitate zwingend erforderlich.
Die hierfür notwendigen Schritte haben wir für ein
Strategietreffen am Bayerischen Landesamt für Umwelt
(Augsburg) in einem Diskussionspapier
zusammengefasst.
Analyse von Einzugsgebieten
Eutrophierung und Verschlammung sind
besonders weit verbreitete Beeinträchtigungen der
Habitatqualität in Fließgewässern. Die Quellen von
Nährstoff- und Feinsedimenteinträgen liegen oft weit
entfernt von den eigentlichen Zielhabitaten und weit
verstreut im Einzugsgebiet. Habitatsanierung beginnt daher
mit einer Analyse der Belastungsquellen und der
Transportpfade im gesamten Einzugsgebiet. Häufig sind
kommunale Abwässer und intensiv landwirtschaftlich
genutzte Flächen die Hauptquellen der Belastung. Zum Thema
Flussperlmuschel und Landwirtschaft haben wir für das
Landesamt für Umwelt Thesen
formuliert.
Sowohl Kartierungen im Gelände als auch
gebietsspezifische Datenauswertungen bilden die Grundlage
der Einzugsgebietsstudien.
Das Konzept für die Kartierungen und die zugehörigen
Maßnahmenvorschläge geht auf die langjährige
Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro
Lenz zurück.
Artenhilfsmaßnahmen
Alle großen Süßwassermuscheln leben am
Gewässergrund, wo sie sich filtrierend aus dem Wasser
ernähren. Ihr Entwicklungszyklus verläuft über eine
parasitische Phase am Wirtsfisch, der je nach Art
unterschiedlich ist. Die zunächst im Gewässerboden
eingegrabenen jungen Muscheln tauchen erst nach einigen
Jahren wieder an der Substratoberfläche auf.
Nahezu alle Bestände der Flussperlmuschel
und Bachmuschel in Europa sind stark überaltert: Ihr
komplizierter Entwicklungszyklus ist an vielen Stellen
anfällig für Störungen und aus unterschiedlichen Gründen
unterbrochen. Maßnahmen zum Erhalt der Süßwassermuscheln
müssen daher an allen Stadien des Zyklus ansetzen.
Entwicklungszyklus der
Flussperlmuschel. Zeichnung: Annick Servant, Foto
Larven: Prof. Dr. Gerhard Bauer, alle übrigen Fotos:
Schmidt & Partner.
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Künstliche Infestationen
Larven (sog. Glochidien) der
Muscheln werden von uns schonend, d.h. ohne
Schädigung der Alttiere gewonnen. Mit ihnen werden
die jeweiligen Wirtsfische der Muscheln künstlich
infestiert. Durch die hohe Glochidienkonzentration
im Infestationsbad können sich an den Wirtsfischen
viel mehr Larven als bei der natürlichen
Infestation im freien Bachwasser encystieren.
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Wirtsfischkontrolle und autochthone
Infestation
Ein geeignetes Wirtsfischaufkommen
im natürlichen Lebensraum ist ein entscheidender
Faktor für die erfolgreiche Reproduktion der
Muscheln. Mittels elektrischer Befischung
überprüfen wir den Fischbestand. Die gefangenen
Wirtsfische können, bevor sie unbeschadet wieder
ausgesetzt werden, direkt am Gewässer künstlich
mit Muschellarven infestiert werden. Diese Methode
wurde sehr erfolgreich zur Wiederbesiedlung
in einem Perlgewässer bei Regensburg
eingesetzt. Sofern innerhalb der Fischfauna
Defizite bestehen, suchen wir nach Gründen und
ergreifen wirksame Maßnahmen zur
Habitatverbesserung.
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Monitoring und Evaluierung
Die wissenschaftliche
Erfolgskontrolle ist für uns unverzichtbarer Teil
der Projektumsetzung. Durch Auszählung der beim
Wannenbad erzielten Parasitierungsraten - wie hier
an den Kiemen des Wirtsfisches – können wir den
Infestationserfolg überprüfen. Die anschließende
Vermessung der Glochidiengröße erlaubt, Anzahl und
Zeitpunkt der abfallenden Jungmuscheln zu
bestimmen.
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Jungmuschelgewinnung und -hälterung
Durch die Infestation von
gezüchteten Wirtsfischen und anschließende
Hälterung ist es möglich, Jungmuscheln zu
gewinnen. Sie können direkt im Bach ausgesetzt
werden. Daneben führen wir mit ihnen auch
wissenschaftliche Hälterungsversuche durch, um
mehr über die Habitatansprüche der besonders
empfindlichen frühen Lebensstadien zu erfahren,
siehe Forschung und
Veröffentlichungen
(Vandré & Schmidt 2010).
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Wiederherstellung natürlicher
Gewässer
Die in verschiedenen Projekten auch
von uns praktizierte Aufzucht von Jungmuscheln hat
i.d.R. hohe Hälterungsverluste, so dass der
intensive und andauernde Betreuungsaufwand nur in
besonderen Fällen gerechtfertigt ist. Zentrale
Aufgabe in allen Schutzprojekten muss die
Sanierung der Gewässer als muscheltauglicher
Lebensraum sein. Ansonsten haben auch
ausgewilderte Tiere keine Chance auf ein
Überleben.
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Gefährdungsanalyse und
Habitatverbesserung
Da die von Muscheln bewohnten
Fließgewässer wie Netzadern die Landschaft
durchziehen, sind sie stark von ihrem Umland
beeinflusst. Die GIS-gestützte Inventur
schädigender Einflüsse setzt daher am gesamten
Einzugsgebiet an, siehe Einzugsgebietsstudien.
Aus dieser Analyse leiten wir die notwendigen
Sanierungsmaßnahmen ab. Hierzu können
Renaturierungen, die Einrichtung von Uferstreifen
und Schlammfängen, Wiedervernässungen oder auch
die Abwasserfreilegung und Änderungen der
Landnutzung zählen.
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