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Erste gelungene Wiederansiedelung der Flussperlmuschel in Bayern

1. Die Vorgeschichte: Belastungen und Sanierung

2. Validierung der Habitatqualität

3. Wiederansiedelung

4. Gewonnene Erkenntnisse


Jungmuscheln im Bach


In einem kleinen Perlgewässer im Falkensteiner Vorwald bei Regensburg wachsen wieder junge Flussperlmuscheln auf. Die Altmuscheln  waren Ende der 1990er Jahre ausgestorben.  Durch jährliche Wiederansiedelungsmaßnahmen des Landschaftspflegeverbandes Regensburg e.V. seit 2006 konnte ein neuer Bestand begründet werden. Damit stellt das Projekt nach der Lutter in Niedersachsen (Altmüller & Dettmer 2000) den deutschlandweit erst zweiten erfolgreichen Versuch dar, das natürliche Aufwachsen von Jungmuscheln in einem Flussperlmuschelgewässer neu zu ermöglichen.

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1. Die Vorgeschichte: Belastungen und Sanierung

Mit unter 10 km2 ist das Einzugsgebiet des Gewässers klein. Es ist zudem überwiegend bewaldet und weist keine intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen auf.

Naturnaher Waldbach


Eine Belastung mit häuslichem Abwasser bestand  früher durch ein bewohntes Forsthaus. Mittlerweile verfügt es über eine verbesserte Klärung. Hauptbelastungsquelle stellten bewirtschaftete Fischweiher im Oberlauf dar, die im Jahr 1968 errichtet und im Durchfluss betrieben wurden. In den 1990er Jahren war der Bach häufig trüb und wies im Mittellauf daher stark verschlammtes Substrat und im Oberlauf umfangreiche Schlammablagerungen auf (Grafe 1993). Im Jahr 1997 wurden Umlaufgerinne um die bisher vom Bach durchflossenen Teiche geschaffen. Sie  führten in der Folge zu einer Verringerung der Gehalte an Ammonium, Gesamtphosphat und Chlorophyll im Fließgewässer (Theiß 1998, 1999).

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2. Validierung der Habitatqualität

Von 1998 bis 2004 war der Restbestand an adulten Flussperlmuscheln von 18 auf 4 zurückgegangen. Eine Trächtigkeit konnte in diesem Zeitraum bei keiner Muschel mehr festgestellt werden. Damit war eine Bestandesstützung  aus dem Vorkommen selbst nicht mehr möglich.

Bestandesentwicklung


Wegen der als  günstig angesehenen Lebensraumsitutation wurde eine Neubegründung des Bestandes mit Muschellarven einer verwandten Herkunft erwogen. In einer Voruntersuchung wurde das Bachsediment im Hinblick auf seine Jungmuscheltauglichkeit begutachtet und vorhandene gewässerchemische Messungen ausgewertet.

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Substratqualität

Eine ganzjährig gute Durchströmung des Sedimentes und eine hohe Sauerstoffverfügbarkeit sind Voraussetzung für das Aufwachsen von Jungmuscheln. Als Indikator für die Sauerstoffverfügbarkeit im Sediment wurden u.a. Eisennägel für drei Monate senkrecht in den Bachgrund eingebracht. Der Sauerstoff gibt sich danach als Rostansatz an den Nägeln zu erkennen.

Nägel, rostig oder blank


Das Bild zeigt die Nägel von zwei Probestellen. Oben: Nägel fast bis zur Spitze stark korrodiert und rostverkrustet = sehr gute Sauerstoffverfügbarkeit. Unten: Nägel überwiegend metallfarben-blank = kein Sauerstoff vorhanden und stark reduzierende Verhältnisse im Sediment.

An fast allen Probestellen wurde eine gute und meist auch tiefgründige Sauerstoffverfügbarkeit angezeigt. Ergänzende Korngrößenanalysen zeigten eine Spanne von unverschlammten Sedimenten bis zu stärker verschlammten Substraten an.
Insgesamt wurden über größere Strecken  günstige Substratverhältnisse für ein mögliches Aufwachsen von Jungmuscheln indiziert.

Wasserqualität

Die verfügbaren gewässerchemischen Messungen deuten auf eine sehr gute Wasserqualität hin. Sie halten die von Moorkens (2000) nach empirischen Daten aus Irland vorgeschlagenen Grenzwerte für gute, d.h. sich verjüngende Flussperlmuschelgewässer ein. Für eine geringe Belastung durch lokale anthropogene Quellen im Einzugsgebiet spricht der sehr geringe Anstieg der Stoffkonzentration von bewaldeten Quellbereichen zum Habitat der Flussperlmuschel im Mittellauf. Vor Errichtung der Umlaufgerinne um die Teiche hatte Theiß (1997) noch von deutlichen Verschlechterungen gewässerchemischer Daten im Längsschnitt des Baches berichtet. 

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3. Wiederansiedelung

Die gute Wasser- und Sedimentqualität ließen einen Wiederansiedelungsversuch  aussichtsreich erscheinen. Seit 2006 werden in einem genetisch nahe verwandten Bestand im Bayerischen Wald jährlich Muschellarven gewonnen. Gleich im Anschluss an die Larvengewinnung werden mittels Elektrobefischung im Zielgewässer Bachforellen gefangen,  am Ufer mit den Larven infestiert und direkt wieder ausgesetzt.

Parallel  werden jährlich gezüchtete Bachforellen auf einer Teichanlage mit den Larven infestiert. Die im folgenden Jahr von den Fischen abfallenden Jungmuscheln werden gewonnen und an günstigen Stellen des Baches  in den Gewässergrund ausgebracht. 

Jungmuscheln, Ausbringung mit dem Rohr


Nach zufälligen Funden einzelner Jungmuscheln bei den Wiederansiedelungsmaßnahmen seit 2012 wurde im Sommer 2014 eine Rasterkartierung durchgeführt.  Auf einer Gesamtstrecke von 3,8 km wurden in regelmäßigen Abständen  5m Bach abgesucht.
Die aus den Muschelfunden berechnete Schätzung der Populationsgröße beträgt 1.750 Tiere. Die Abbildung zeigt für die Muscheln ab vier Jahren die Entwicklung des Bestandes, wie sie sich aus der Altersstruktur der gefundenen Tiere ergibt (weiße Säulen).

Bestandesentwicklung mit den Jungmuscheln


Das Alter derMuscheln lag zwischen zwei und sieben Jahren, wobei Tiere unter vier Jahren nur zufällig und sehr selten gefunden wurden.

Jungmuscheln, eingegraben und auf der Oberfläche


Auch die schon etwas älteren Jungmuscheln sind tief eingegraben (links). Nur ausnahmsweise findet man Muscheln auf der Oberfläche (rechts). Anhand ihrer Jahresringe kann das Alter der Tiere bestimmt werden.

Die Jungmuscheln haben sich weit über die Ansiedelungsstrecke hinaus ausgebreitet: 15 % der Tiere wurden oberhalb und unterhalb der Bereiche, in denen Wirtsfische und Jungmuscheln ausgebracht wurden, gefunden. Ein Teil der Tiere wurde offenbar bachabwärts verdriftet. Oberhalb der Ansiedelungsstrecke lebende Muscheln können nur mit den vor Ort infestierten autochthonen Wirtsfischen verbreitet worden sein. Dadurch ist die Wirksamkeit dieser kostengünstigen Artenhilfsmaßnahme belegt. 

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4. Gewonnene Erkenntnisse

Jungmuscheln brauchen hohe Anteile unverschlammter, gut mit Sauerstoff versorgter Substrate und eine sehr gute Wasserqualität. Die in der Literatur mehrheitlich vertretene naturschutzfachliche Einschätzung der physikalisch-chemischen Habitatansprüche für das natürliche Aufwachsen von Flussperlmuscheln (Bauer 1988, Moorkens 2000, Sachteleben et al. 2004, Geist & Auerswald 2007) wird durch den Erfolg in diesem Gewässer bestätigt.

Erst müssen die  Lebensbedingungen im Gewässer optimiert werden - dann können  bestandesstützende Maßnahmen Erfolg haben. In diesem Bach können wieder junge Perlmuscheln aufwachsen, da zuvor die  Abwasserbelastung minimiert und der Teichanschluss beseitigt wurde. „Zu den Grundvoraussetzungen für Auswilderungsprojekte zählen passende Habitatbedingungen und -verfügbarkeit sowie eine genetisch angepasste Ursprungspopulation für die einzubürgernden Tiere“ (IUCN/SSC 2013).  Die  präzise Identifizierung aller Belastungsquellen und wirksame Sanierung der Perlgewässer mitsamt ihrer Einzugsgebiete sind die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Bestandesstützung und Wiederansiedelung der Flussperlmuschel (vgl. Altmüller & Dettmer 2000, Altmüller 2005). In einer umfassenden Literaturauswertung zu Ökologie und Schutz der Flussperlmuschel weist auch Young (2009) dem Bereich „Active catchment management and stream restoration, often including silt reduction“ die erste Priorität zu.

Die Voraussetzungen für die Sanierung waren am Projektgewässer  mit einem hohem Waldanteil und überschaubaren Belastungsfaktoren ungleich günstiger als an Gewässern in der Kulturlandschaft. Diese sind in der Regel stärker verändert und durch Einflüsse aus der landwirtschaftlich genutzten Fläche sowie durch kommunale Abwässer beeinträchtigt. Dass die Habitatsanierung  auch in der Kulturlandschaft möglich ist, zeigt das Lutterprojekt. Auch in einigen bayerischen Kulturlandschaftsgewässern mit noch erhaltenen größeren und nur mäßig überalterten Perlmuschelbeständen stehen die Chancen auf deren Erhalt gut, wenn die bestehenden Gefährdungen zielorientiert, konsequent und dauerhaft eliminiert werden.

Methodisch waren bei der Wiederansiedelung aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl die Infestation von Fischen direkt vor Ort als auch die Ausbringung geeernteter Jungmuscheln erfolgreich. Sicher funktioniert hat die Infestation vor Ort. Diese Maßnahme wurde auch beim Wiederaufbau der Population an der Lutter eingesetzt. Sie verursacht verglichen mit der Gewinnung, Hälterung und Ausbringung von Jungmuscheln einen deutlich geringen Personal- und Mittelaufwand. Die Infestation von autochthonen Wirtsfischen direkt vor Ort ist sowohl wirkungsvoll als auch kostengünstig und erscheint daher besonders empfehlenswert.


Einen Nachweis der zitierten Literatur stellen wir gerne auf Anfrage zur Verfügung.




Seitengestaltung: René Styber

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