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Landbewirtschaftung an Perlgewässern

Thesen zu einer für die Flussperlmuschel verträglichen Landwirtschaft

Christine Schmidt und Dr. Robert Vandré, Schmidt & Partner GbR 2007

Perlgewässer-Einzugsgebiet in der Kulturlandschaft

Flussperlmuschelgewässer: Leitbild und Landwirtschaft

Nach dem Leitfaden Flussperlmuschelschutz ist „die Integration einer extensiven Landbewirtschaftung in ein Leitbild für potenzielle Flussperlmuschelgewässer möglich. Voraussetzung ist dabei, dass die Nährstoffbilanz des Einzugsgebietes zumindest ausgeglichen, wenn nicht sogar negativ ist“ (1). Diese Aussage soll im Folgenden überprüft und genauer gefasst werden. Von den Gefährdungsfaktoren der Flussperlmuschel (1) haben die Eutrophierung und die Verschlammung des Gewässerbetts einen direkten Bezug zur Landbewirtschaftung im Einzugsgebiet.

Eutrophierung

In Anlehnung an die Inventuren von Bauer (2) und Moorkens (3) gibt der Leitfaden für die Wasserqualität Richtwerte von 1,7 mg NO3-N/l und 0,06 mg PO4-P/l an (1). Bei einem mittleren jährlichen Abfluss im Bereich von 300 bis 700 l pro m2 in Einzugsgebieten bayerischer Perlgewässer (nach Daten aus (4)) bedeutet dies, dass im Mittel 5 bis 12 kg N und 200 bis 400 g P je ha und Jahr als Nitrat bzw. Orthophosphat in die Gewässer gelangen dürfen. Die natürliche Hintergrundbefrachtung wird dabei auf 2,5 bis 5 kg N und 50 bis 100 g P je ha und Jahr geschätzt (6) (8) (15), sodass nur unter 10 kg N und unter 300 g P je ha und Jahr als zusätzlich tolerierbarer Eintrag erscheinen.

Deutschlandweit beträgt der N- und P-Eintrag in die Oberflächengewässer aus den überwiegend landwirtschaftlich bedingten Eintragspfaden Erosion, Abschwemmung, Dränagen und Grundwasser 25 bis 30 kg N und 1.000 bis 1.200 g P je ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und Jahr (6) (7). Auf die Gesamtfläche bezogen beträgt der Eintrag 12 bis 14 kg N und 500 bis 600 g P. Aus kommunalen Kläranlagen stammt noch einmal ein viertel (N) bzw. die Hälfte (P) der landwirtschaftlich verursachten Menge. Die mittlere landwirtschaftliche Gewässerbefrachtung mit P und N liegt damit alleine über der für Flussperlmuschelgewässer tolerierbaren Gesamtbefrachtung. Das in (1) formulierte Leitbild kann daher bestätigt werden:


These 1
Landbewirtschaftung ist ein wesentlicher Faktor für die Habitatqualität von Perlgewässern in der Kulturlandschaft

These 2
Die Flussperlmuschel erfordert eine weit über das mittlere Maß hinausgehend gewässerschonende Landbewirtschaftung, insbesondere bezüglich der Nährstoffüberschüsse.


Verschlammung

Erosion und Bodeneintrag sind Quelle der Verschlammung des Bachsedimentes durch anorganisches Feinsediment. Die Eutrophierung fördert die Bildung organischen Schlamms durch Algenaufwuchs. Vermutlich verstärkt die Eutrophierung auch die anorganische Verschlammung des Bachsedimentes durch Bildung von Biofilmen (9). Eutrophierung und Verschlammung sind also direkt gekoppelte Prozesse.

Im Gegensatz zu den modernen Nährstoffüberschüssen hat es die Bodenerosion auch in früheren Jahrhunderten gegeben, ohne dass die Flussperlmuschelbestände ausgelöscht wurden (10). Ob die Bodenerosion auch ohne Eutrophierung die Bachsedimente dauerhaft verschlammen und die Muscheln schädigen würde, ist daher unklar. Da die landwirtschaftlich genutzten Böden aber heute flächendeckend mit Nährstoffen angereichert sind, führt die Erosion heute sicher zu einer Schädigung der Flussperlmuschel.


These 3
Die Flussperlmuschel erfordert eine bodenerhaltende, die Erosion vermeidende Landbewirtschaftung.


Landnutzungssysteme

Ein generalisierender Vergleich verschiedener Landnutzungssysteme bezüglich Nährstoffüberschüssen und Erosion ergibt folgende Beziehungen (11) (12):

Hohe Nährstoffüberschüsse sind vor Allem in viehhaltenden Betrieben zu erwarten. Reine Marktfruchtbetriebe können eine bessere Nährstoffausnutzung erreichen. Hier besteht aber wegen des Ackeranteils ein hohes Erosionsrisiko.

Intensive Grünlandbetriebe haben - mit Ausnahme von Ufer- oder Grasnarbenzerstörungen durch starken Viehtritt - kein Erosionsproblem. Da sie jedoch mit Fleisch- und Milchprodukten nur geringe Nährstoffmengen exportieren, verursachen sie besonders hohe Nährstoffüberschüsse (>150 kg N/ha/a). Gemischtbetriebe können über den Anbau von Futtermitteln oder Marktfrüchten größere Nährstoffmengen exportieren.

Eine Verringerung der N-Düngung in Marktfrucht- und Gemischtbetrieben verringert die N-Überschüsse deutlich, ist aber nur durch Subventionierung ökonomisch rentabel (14).

Ökologisch wirtschaftende Gemischtbetriebe erzielen durch den Verzicht auf Mineraldüngung geringere Nährstoffüberschüsse als konventionelle Betriebe. Durch den Leguminosenanbau können dennoch erhebliche N-Überschüsse entstehen (Dauerversuch Scheyern: 82 kg N/ha/a, hiervon allerdings 55 kg im Boden gespeichert (12)).

Eine Reduktion der Nährstoffimporte mit Futtermitteln und Düngern bei gleichzeitiger Verringerung des Viehbesatzes veringern die Überschüsse von Grünlandbetrieben deutlich. Ebenfalls deutlich N-effektiver ist die Haltung von Kühen mit geringerer Milchleistung bei besserer Auswertung geringerer Futterqualitäten. Bei zugleich geringer Besatzdichte können geringe Nährstoffüberschüsse erreicht werden.

Bei milcherzeugenden Betrieben führt die einseitige Verringerung der Stickstoffdüngung zu erhöhtem aufkommen von Klee im Intensivgrünland. Hierdurch wird die N-Einsparung teilweise wieder aufgehoben. Insgesamt wird die N-Bilanz aber dennoch günstiger.

Milchvieh bedingt bei Stallhaltung etwas höhere N-Überschüsse als bei Weidewirtschaft. Die N-Verluste gehen bei Stallhaltung jedoch überwiegend als NH3 in die Atmosphäre, während sie auf der Weide überwiegend als NO3 in die Hydrosphäre gelangen. Zudem gibt es bei Stallhaltung keine Erosionsrisiko durch Viehtritt.

Sehr geringe Nährstoffüberschüsse erzielt allein die extensive Viehhaltung ohne Milchproduktion, z.B. Mutterkühe, Schafe, Ziegen, Pferde. Das Problem hierbei ist die begrenzte Wertschöpfung pro Fläche.


These 4
Als flussperlmuschel-verträgliche Landwirtschaft kommen vor Allem extensive Grünlandnutzungen mit stark reduzierter Düngung in Frage. Bei sehr gutem Management kann möglicherweise auch die extensive Milchproduktion im reinen Grünlandbetrieb oder die biologische und zugleich extensive Milchproduktion im Gemischtbetrieb die Anforderungen erfüllen. Dies wäre näher zu prüfen.


Nährstoff-Rückhaltung

Der landwirtschaftliche N-Bilanzüberschuss beträgt deutschlandweit etwa 100 kg N/ha/a. 20% hiervon sind gasförmige Verluste (7). Der Rest kann potentiell die Gewässer belasten. Der Eintrag in die Oberflächengewässer aus der landwirtschaftlichen Fläche wird aber „nur“ mit 25 bis 30 kg N/ha/a bilanziert. Beim P stehen 8 kg Bilanzüberschuss (13) nur 1 kg geschätztem Eintrag in die Gewässer gegenüber. Dies illustriert die entscheidende Bedeutung der Nährstoff-Rückhaltung.

Als Puffer wirken Feuchtgebiete, in denen der Stickstoff denitrifiziert wird. Ein Rückhalt durch Speicherung im Boden findet bei N in organischer Form und bei P in organischer wie anorganischer Bindung statt. Die gespeicherten Nährstoffmengen können allerdings später wieder frei werden und das Gewässer noch lange Zeit belasten. Nicht nur N sondern auch P wird mit dem Sickerwasser weiterverlagert (6) (15). Stark befrachtete Bodenspeicher müssen daher durch Entzug (Aushagerung) rückgeführt werden.

Beim Nährstoffrückhalt ist zu beachten, dass kleine Pufferflächen wie etwa Uferrandstreifen nicht die Überschüsse großer Flächen im Hinterland aufnehmen können. Bei Hochwasserereignissen können die Puffer zudem durch oberflächlich abfließendes Wasser überbrückt werden.


These 5
Eine Vernässung der Talböden von Haupt- und Seitengewässern mindert N-Überschüsse effektiv. Akkumulationsflächen für abgeschwemmten Boden können den Austrag von N und P gleichermaßen bremsen. Langfristig wird der Eintrag in die Gewässer aber nur durch eine ausgeglichene oder negative Nährstoffbilanz im Einzugsgebiet unterbunden.


Andere Stoffe

Es ist davon auszugehen, dass neben P und N auch andere Elemente und Stoffe, die durch die Landnutzung in die Gewässer gelangen, die Habitatqualität für die Flussperlmuschel bestimmen. Hierzu zählen etwa weitere Nährelemente wie Ca, S und K, Pestizide, Hormone und andere Wirkstoffe, Sickersäfte, Kraft- und Schmierstoffe und Schwermetalle. Ein wirkungsvoller Havarieschutz ist wesentlich für den nachhaltigen Schutz der Muschelbestände. Z.B. Uferrandstreifen können dem Havarieschutz dienen.

Die Wirkung, die diese Stoffe bei sachgerechter Anwendung auf die Habitatqualität der Flussperlmuschel haben sind nicht bekannt. In erster Näherung kann aber davon ausgegangen werden, dass der Eintrag dieser Stoffe ins Gewässer unterbunden werden muss. Die Maßnahmen hierzu sind in vielen Fällen identisch mit der Verhütung von N- und P-Einträgen: Vermeidung von Nährstoffüberschüssen, extensive Nutzung, ökologische Wirtschaftsweise, Vermeidung von Erosion.


These 6
Eine extensive und ökologisch ausgerichtete Landbewirtschaftung dient auch der vorsorglichen Verhütung noch unbekannter negativer Einflüsse der Landbewirtschaftung auf die Flussperlmuschelgewässer.


Aktuelle Entwicklungen

Die Wirtschaftlichkeit gewässerschonender Wirtschaftsweisen wird direkt bestimmt durch Programme, Prämien und Zuschüsse (16). Die laufenden Reformen der europäischen Agrar- und Umweltpolitik haben direkte Auswirkungen auf die Möglichkeiten zur Einführung einer flussperlmuschelverträglichen Landwirtschaft, sind aber in ihren Auswirkungen noch nicht absehbar (16). Eine aktuelle Folge der europäischen Agrarpolitik ist die Zunahme des Anbaus von Energiepflanzen. Da der Energiepflanzenanbau in Konkurrenz sowohl zu den Marktfrüchten als auch zur Grünlandwirtschaft tritt, kann er möglicherweise die Einführung einer extensiven Grünlandwirtschaft in Perlgewässer-Einzugsgebieten erschweren oder verhindern.


Literatur

(1)Sachteleben J., Schmidt C., Vandre R. & Wenz G. (2004): Leitfaden Flussperlmuschelschutz. – Bayerisches Landesamt für Umweltschutz Schriftenreihe Heft 172.
(2)Bauer G. 1988: Threats to the freshwater pearl mussel Margaritifera margaritifera L. in Central Europe. - Biol. Conservation 45: 239-253.
(3)Moorkens E.A. 2000: Towards an understanding of the water quality requirements of Margaritifera in Ireland. – Albert-Ludwigs-Universität Freiburg & Wasserwirtschaftsamt Hof (Hrsg.): Die Flussperlmuschel in Europa: Bestandssituation und Schutzmaßnahmen. Kongress 16.-18.10.2000 in Hof. Tagungsband: 45-59.
(4)Hochwassernachrichtendienst Bayern, http://www.hnd.bayern.de/, Stand: September 2007
(5)Statistisches Bundesamt, http://www.destatis.de; Daten von 2006
(6)Behrendt H.,Bach M., Kunkel R.,Opitz D.,Pagenkopf W.G.,Scholz G. 2003: Quantifizierung der Nährstoffeinträge in die Oberflächengewässer Deutschlands auf der Grundlage eines harmonisierten Vorgehens. Umweltforschungsplan des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Wasserwirtschaft, Forschungsvorhaben 29922285. Umweltbundesamt, http://osiris.uba.de/gisudienste/Herata/npbilanz/bericht/deutsch/kurzfassung.pdf
(7)Bundesministerium für Umwelt, Gesundheit und Reaktorsicherheit 2004: Bericht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 10 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen.
(8)Frede H.-G. & Dabbert S. 1999: Handbuch zum Gewässerschutz in der Landwirtschaft. - ecomed ? Verlag, Landsberg.
(9)T.J. Battin, D. Sengschmitt 1999: Linking Sediment Biofilms, Hydrodynamics, and River Bed Clogging: Evidence from a Large River. Microbial Ecology 37,185-196
(10) Vandré R., Schmidt C. & Wenz G. (2000): Contributes modern agriculture to the decline of the freshwater pearl mussel? A historical review. ­ Z. Ökologie u. Naturschutz 9 (2000): 129-137.
(11) Anger, M. 2004: Möglichkeiten und Grenzen der nachhaltigen Bewirtschaftung von Grünlandsystemen. in: Ressourcenschonende Grünlandnutzung ? Erfolge, Probleme, Perspektiven ? 16. Wissenschaftliche Fachtagung 19.Mai 2004. Schriftenreihe des Lehr- und Forschungsschwerpunktes ?Umweltverträgliche und Standortgerechte Landwirtschaft?, Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Bonn, Band 130
(12) Gutser, R. 2006: Bilanzierung von Stickstoffflüssen im landwirtschaftlichen Betrieb zur Bewertung und Optimierung der Düngungsstrategien. Acta agriculturae Slovenica 87, 129 - 141
(13) Umweltbundesamt 2007: Umweltdaten online. Kernindikatoren-System. http://www.env-it.de/umweltdaten/public/, Oktober 2007
(14) Köhne M., Isselstein J., Barunke A., Scheringer J., Gerowitt B, Osewold, S. 2001: Das Niedersächsische Pilotprojekt zur Einführung einer reduzierten Stickstoffdüngung in landwirtschaftlichen Betrieben. Bericht des Forschungs- und Studienzentrum Landwirtschaft und Umwelt, Universität Göttingen
(15) Bohner A., Eder G., Schink M. 2007: Nährstoffkreislauf und Stoffflüsse in einem Grünland-Ökosystem. 12. Gumpensteiner Lysimetertagung, Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Irdning
(16) Horlitz T., Bathke M., El Orfi A. 2007: Ökonomische Bewertung von FFH-Maßnahmen zur Ermittlung wirtschaftlicher Nachteile landwirtschaftlicher Unternehmen Sachsens. Schriftenreihe der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft Heft 14/2007



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